Svenja Keune ist in der künstlerischen Forschung tätig und hat im letzten Jahr ihren Doktor in
Textildesign an der Swedish School of Textiles in Borås abgeschlossen. Dort ist sie nun als
Postdoctoral Researcher angestellt, um für drei Jahre an ihrem Projekt „Designing
and Living with Organisms“ zu arbeiten. Hierfür ist Svenja vor Kurzem in die Nähe von Kopenhagen
gezogen. Dort arbeitet sie am Centre for Information Technology and Architecture an der Royal
Danish Academy.
Ihren Bachelor und Master hat Svenja in Textildesign an der HAW Hamburg
absolviert und die Studienzeit umfassend zum Experimentieren und Verknüpfen unterschiedlicher
Richtungen
genutzt. So hat sie zum Beispiel Textildesign und Informatik zusammengebracht.
Künstlerische Forschung heißt, dass ich durch künstlerische Praxis und Designpraxis in
Textildesign forsche. In meinem Fall bedeutet das, dass ich viel mit Geweben arbeite, also mit
Handweben, dem Weben mit Maschinen oder generell mit textilen Techniken.
Bei meinem
Doktor habe
ich mich damit beschäftigt, wie man Pflanzen und Textilien zusammenbringen kann, um neue Arten
oder alternative Arten des Zusammenlebens mit der Natur zu entwickeln. Und da entwickle ich mit
Hilfe dieser praktischen künstlerischen Arbeit Konzepte, Visionen und Szenarien, wie wir in
Zukunft besser leben oder mehr im Einklang mit der Natur leben können.
Jetzt geht es
darum, wie
man Textilien gestalten kann, sodass auch Insekten was damit anfangen können. Diese Textilien
sollen sozusagen zwischen der Architektur oder dem Raum und den Menschen und den Insekten und
ihrer Umwelt vermitteln.
Während meines Bachelors und Masters an der HAW habe ich viel mit dem Department Informatik
zusammen gearbeitet. Beide meiner Abschlussarbeiten haben zum Beispiel Elektronik und Textil so
miteinander verbunden, dass man mit diesen textilen Objekten oder Installationen auf
verschiedene Arten und Weisen kommunizieren konnte. Und diese Kommunikation hat auf verschiedene
Arten stattgefunden, zum Beispiel durch Berührungen oder durch Anpusten. Ich habe das poetische
Interaktionen genannt.
Als ich dann mit meinem Projekt „Textile Farming“ für meine
Doktorarbeit
anfing, habe ich mich der Technologie abgewendet, um natürliche Materialien oder auch Lebewesen
für das Textildesign zu benutzen. Dabei habe ich sozusagen die lebenden Qualitäten gegen die
elektronischen Qualitäten ausgetauscht.
Ich habe mich schon während des Studiums an der HAW sehr um Networking gekümmert. Ich fand es zum Beispiel total spannend, Rhino-Kurse an der HFBK zu machen oder da in der Porzellan-Werkstatt zur experimentieren. In der Informatik habe ich auch einen Kurs belegt, mehrere bei Bekleidungstechnik, und speziell Franziska Hüblers Kurse in Computergestütztes Experiment haben mein Studium noch darüber hinaus geprägt und bereichert.
Und es hat mich dazu befähigt, über den Tellerrand von Textildesign zu gucken und mein Profil so speziell auszuarbeiten, dass ich immer noch auf diese ganzen Erfahrungen bauen kann, die ich schon sehr früh gemacht habe.
Wir wurden von Kai von Luck, einem Professor für Informatik, dazu ermutigt, für verschiedene Schülergruppen Kurse zu geben, und haben auch eine Projektförderung von der HAW, sowie zur Gründung des Interactive Design Labs, das später in EmotionLab umbenannt wurde, bekommen.
Für mich ist Design eine Vermittlungsdisziplin, die mit allen Bereichen etwas zu tun haben kann. Ich finde es so spannend, weil die HAW so viele Bereiche hat.
Ich hatte zum Beispiel ein paar Nebenjobs, durch die ich mit der HFBK verknüpft war. Später habe ich dann in einer Galerie für Kunsthandwerk und Design gearbeitet. Das habe ich während des Studiums angefangen und als Sprungbrett in die Selbständigkeit nach dem Master genutzt.
Ich hätte eigentlich sehr gerne gewechselt und würde das auch jeder oder jedem empfehlen. Ich habe mich dann dagegen entschieden, weil der Master wie eine Vertiefung und relativ kurz ist. Für das Projekt, was ich machen wollte, brauchte ich dieses Netzwerk, was ich mir vor allen Dingen schon mit den Informatikern an der HAW geknüpft hatte. Um dieses Netzwerk an einem anderen Ort zu finden, zu gründen oder aufzubauen, braucht es Zeit. Deswegen habe ich mich dafür entschieden, dass an der HAW zu machen und bin auch sehr gut damit gefahren.
Ein Jahr nach dem Master habe ich in dieser Galerie für Kunsthandwerk und Design gearbeitet, und als die geschlossen wurde, ist mir erstmal nichts anderes eingefallen und ich habe mich selbstständig gemacht. Das war eigentlich auch immer der Traum, aber ich habe nicht so ganz gewusst, wie ich das machen soll. Deswegen ist die Forschung für mich tatsächlich ein Feld, in das ich viel besser reinpasse. Da kann ich alle möglichen Ideen ausbrüten, muss mich aber nicht um die hundertprozentige Umsetzung oder um die Vermarktung und so weiter kümmern.
Ich hatte schon einen Ansatz, war aber nach dem Studium noch nicht bereit dafür. Da war für mich noch nicht klar genug, wo ich hin möchte und deswegen war ich erstmal in einer Anstellung.
Direkt nach dem Studium habe ich mich nicht getraut, komplett selbständig zu arbeiten. Da hat sich die Möglichkeit zu einer Anstellung ergeben.
Und irgendwie konnte ich mich nicht so richtig entscheiden. Ich habe die ganze Zeit mit mir gerungen und dachte, ich werde sowieso nicht genommen und das klappt nicht. Dann rückte die Deadline immer näher.
Ich bin dann zum Vorstellungsgespräch nach London für diese Stelle eingeladen worden, aber es hat
nicht geklappt. Danach hatte ich alle möglichen Projekte und habe den Sommer genossen.
Und dann bin ich nach Berlin gezogen und hab dann eine Mail bekommen, ob ich nicht in Schweden
auf der gleichen Stelle, aber halt bei einem schwedischen Unternehmen, anfangen möchte.
Mittlerweile habe ich das Gefühl, ein bisschen angekommen zu sein. Obwohl ich immer noch mit komischen Ideen um die Ecke komme. Aber die sind jetzt in einer guten Verbundenheit mit den komischen Projekten von anderen.
Nur 31,25 % der Befragten leben auch jetzt noch in Hamburg. 7 der 100 Alumni sind, wie Svenja ins Ausland gezogen.
Die größten Hürden oder Herausforderungen sind auf jeden Fall, zu begreifen, wo der eigene Platz als Designer oder Künstler ist und wie man seinen Lebensunterhalt verdienen soll. Das hat mir immer ziemlich viel Angst gemacht.
Man muss schon eine Vorstellung davon haben, mit was für Themen man sich beschäftigen möchte. Das
herauszuarbeiten, ist eine Aufgabe, um die man sich während des Studiums kümmern muss. Also sein
Profil rausarbeiten und sich bewusst machen.
Ich hatte das große Glück, dass ich ein Forschungsstipendium bekommen habe. Nach dem
Postdoc wird es auch wieder so weitergehen. Danach ist dann die Frage: Gibt es einen Job, auf
den ich passe, oder muss ich wieder neue Forschungsanträge stellen und darauf hoffen, dass ich
weiterforschen kann?
Bei mir sind es Flexibilität, Neugierde, Netzwerken und die Offenheit, mich mit anderen Bereichen zu beschäftigen oder mit Wissen anderer Art und anderer Felder. Das Netzwerken finde ich enorm wichtig.
Am Textildesign-Studium der HAW finde ich toll, dass man es relativ frei gestalten kann, zum Beispiel kann man auch Kurse aus anderen Bereichen innerhalb des Design Departments belegen, aber auch außerhalb. Die HAW ist ja keine Kunsthochschule und hat dafür ziemlich viel Potential für interdisziplinäre Zusammenarbeit. Das wird von der Hochschule allgemein leider nicht wirklich gefördert oder ermöglicht. Trotzdem kann man selbst die Initiative ergreifen und Verbindungen zu den anderen Bereichen aufbauen, wie zum Beispiel Biotechnologie, Informatik, Betriebswirtschaft oder Maschinenbau.
Ich benutze gerne das Bild von der Spinne. Wenn man sich selber als Spinne sieht und versucht sein Netz in alle Richtungen, die einen interessieren, auszubreiten, dann kann man sich irgendwann in der Mitte ausruhen und man bekommt überall mit, was los ist. Ein Spinnennetz ist ja so eine Art Sensor – eine Art Körper – oder Wahrnehmungserweiterung der Spinnen. Man hat Zugriff auf ganz viel Wissen und auf ganz viele Leute und kann alle miteinander vernetzen. Wenn man etwas braucht oder eine Frage hat, oder ein Projekt machen will, dann kann man sich so die richtigen Ansprechpartner raussuchen.
Man merkt schon, was für einen Weg man gehen möchte: Ob man einfach einen Designjob annimmt und
genau weiß, was man zu tun hat und sich in einem bestimmten Rahmen befindet, oder ob man
wirklich die Grenzen ausloten möchte. Ich glaube, man muss darauf hören und auch danach gehen.
Aber, dass man sich zum Beispiel nicht so richtig zugehörig fühlt oder schon so ein bisschen weiter ist, sollte einen nicht davon abhalten, diese Grenzen noch weiter auszuloten, wenn man denkt, dass es Potenzial in der Richtung gibt.